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Interview: WALDGEFLÜSTER über "Dahoam", Moorleichen, Heimatverbundenheit & vieles mehr




Die bayrische Atmospheric-Black-Metal-Band WALDGEFLÜSTER meldete sich mit ihrem sechsten Studioalbum "Dahoam" lautstark zurück. Zehn Jahre nach "Femundsmarka – Eine Reise in Drei Kapiteln" ist es das zweite Konzept-Album der Band und zugleich auch das erste Album, das sie über AOP Records veröffentlicht haben und welches sogar den Einstieg in die Deutschen Charts kürzlich geschafft hat. Wir haben mit Winterherz gesprochen, der uns jede Menge Infos zum neuen Werk, aber auch über seine Heimat verrraten hat. Am Ende des Gesprächs findest Du auch noch ein kurzes Stichwort-Interview...


J.D.W.E.: Hallo Winterherz, es freut mich sehr, dass ich dir einige Fragen zu eurem neuen Album stellen kann. Aber fangen wir doch gemütlich an. Wie geht es dir und wie war dein Tag bis jetzt?

Winterherz: Hi Manuela, alles Bestens! Danke der Nachfrage. Der Tag war bisher okay. Montag halt.


J.D.W.E.: Euer neues Album trägt den Titel "Dahoam". Was machst für dich wahre Heimat aus?

Winterherz: Genau das ist die Frage, die ich versucht habe auf "Dahoam" zu beantworten. Ich bin zu keinem abschließendem oder einfachen Ergebnis gekommen. Wie ich in "Wendelstoa" schon sage: "Heimat kann man nicht fassen, es ist so viel."


J.D.W.E.: Du kommst aus Bayern. Kannst du mir etwas über deine Heimat erzählen?

Winterherz: Wie überall gibt es gute und schlechte Seiten an Bayern. Landschaftlich gesehen liebe ich die Alpen und das Alpenvorland, die Fichtenwälder und Felder, die kleinen Dörfer. Bayern kann aber auch arrogant und konservativ sein. Dass die Kirche immer noch eine so große Rolle im Leben vieler Menschen spielt, erschreckt mich ebenfalls. Im Moment würde ich aber nirgendwo anderes leben wollen.


J.D.W.E.: Welchen Platz/Ort würdest du einem jeden empfehlen, der noch nie in Bayern gewesen ist?

Winterherz: Das Jenbachtal und der Weg rauf zum Wendelstein sind definitiv eine Wanderung wert.


J.D.W.E.: Kannst du mir etwas über den Entstehungsprozess des Albums erzählen. Wie lange habt ihr dran gearbeitet?

Winterherz: Ich glaube von den ersten Ideen bis zum fertig geschriebenen Album hat es circa ein Jahr gedauert. Das ging diesmal relativ schnell, das "Korsett" des Konzepts hat vieles vorgegeben und man musste nicht jedes Mal wieder vor einem weißen Blatt Papier anfangen. Danach haben wir circa ein dreiviertel Jahr für die Aufnahmen gebraucht. Die Gitarren haben wir immer mal wieder nach Feierabend in meinem Studio aufgenommen. Für die Drums sind wir dann in die Mischbatterie gegangen und wieder ein paar Monate später waren wir drei Tage bei Markus Stock um die Vocals aufzunehmen.


J.D.W.E.: "Dahoam" ist das erste Album, das ihr über AOP Records veröffentlicht. Kannst du uns etwas über den Labelwechsel erzählen?

Winterherz: Wir haben die Entwicklung von AOP lange verfolgt, wir lieben viele der Releases, die auf AOP erschienen sind. Bei Nordvis hatten wir immer mehr das Gefühl nicht mehr ganz zur musikalischen Ausrichtung zu passen. Des weiteren kristallisierte sich langsam heraus, dass wir als deutsche Band mit der hauptsächlichen Fanbase in Deutschland vermutlich mit einem deutschen Label diese etwas besser bedienen können. Ich habe dann Kontakt zu Sven aufgenommen, und wir waren uns schnell einig und vor allem sympathisch. Bis jetzt haben wir den Schritt keine Sekunde bereut. Aber um das nochmal klar zu stellen, wir sind in Freundschaft von Nordvis gegangen, wir sind Andreas unendlich dankbar für alles, was er uns ermöglicht hat. Wir werden auch weiterhin zusammenarbeiten - Nordvis kümmert sich in Zukunft um unseren Backcatalogue und hat gerade erst die LP-Version von "Herbstklagen" raus gebracht.


J.D.W.E.: Außerdem ist es das erste Album, das ihr in bayrischem Dialekt aufgenommen habt. Wie ist die Entscheidung zu Stande gekommen? Werdet ihr das beibehalten oder ist das noch nicht fix?

Winterherz: Das war eine (voraussichtlich) einmalige Sache und ist allein dem Konzept geschuldet. Es ging immer auch darum den Heimatbegriff neu zu besetzen und eben auch den Dialekt, der ja oftmals altbacken und rückständig wirkt, in einem komplett neuen Kontext zu benutzen.


J.D.W.E.: Hattet ihr keine Angst, dass die Leute euch nicht mehr verstehen könnten ;)?

Winterherz: Naja, ich finde das Beschweren über das Nicht-Verstehen unserer Texte schon immer etwas schwierig. Zum einen machen wir Black Metal, den versteht man oftmals so oder so nicht ohne die Texte, also da ist lesen sowieso angesagt. Zum anderen haben wir auch eine große Fanbase außerhalb des deutschsprachigen Raums, die haben das Problem schon immer. Deswegen gibt es auch zu jedem unserer Alben eine englische Übersetzung auf unserer Homepage. Und schlussendlich finde ich es komisch, dass so viele Leute immer ein Problem mit dem Nicht-Verstehen unserer Texten zu haben scheinen, aber niemand mit norwegischen oder polnischen Texten. Warum ist es bei den Texten weniger wichtig??





J.D.W.E.: Ja, da geb ich dir vollkommen recht! Kommen wir zu eurem Song "Am Tatzlwurm", den ihr gemeinsam mit J.J. Aufgenommen habt. 1) Wie kam es zu dieser Kollaboration? 2) Bitte erzähl uns mehr über das Lied und dessen Inhalt. Ich habe tolle Bilder von dem Wasserfall am Tatzelwurm gefunden. Ist der Song davon inspiriert? Und ist das einer der Plätze, den du persönlich an deiner Heimat sehr schätzt?

Winterherz: Ich habe J.J. einfach angeschrieben. Wir kennen uns seit ein paar Jahren von Konzerten, wir sind große Karg- und Harakiri-For-The-Sky-Fans und umgekehrt glaube ich auch, dass er was für unsere Musik übrig hat. Mit dem Hintergrund, dass er bei Karg ja auch im Dialekt singt, passte der Gastbeitrag einfach wie die Faust aufs Auge. Nun zum Inhalt und den Hintergründen des Songs: Ich wollte ein Lied über die Themen Fremdenhass, Engstirnigkeit, Nationalismus schreiben. Meine erste Assoziation für die entsprechenden Naturbilder war eine Klamm mit Wasserfall. Etwas das eng und begrenzt ist und Gewalt ausstrahlt. Ich habe dann überlegt und gesucht nach entsprechenden Örtlichkeiten in Oberbayern, die ich kenne und wo man mit diesen Bildern und Metaphern arbeiten kann. Ich bin beim Tatzlwurmer Wasserfall hängengeblieben, der sehr nah an dem Ort liegt, in dem ich aufgewachsen bin und der gleichzeitig mit dem Mythos der Tatzlwürmer eine zusätzliche Ebene von mythischen, oder noch genauer, von imaginären Schrecken bot. Ein Wasserfall bietet zusätzlich noch das Bild des ewigen Tropfens, der den Stein aushöhlt, und das passt perfekt zu den ständigen Unwahrheiten, die wir uns als Gesellschaft durch unsere blau-braunen Mitbürgern in Bezug auf Zuwanderung anhören müssen. Das Ziel auf "Dahoam" war immer anhand von konkreten Plätzen und Naturbildern aus Oberbayern, universelle Ideen in Bezug zum Thema "Heimat" zu transportieren. Ich glaube speziell auf "Tatzlwurm" ist diese Symbiose gelungen, ich bin sehr stolz auf diesen Text. Ich schätze den Tatzelwurm als Ort ebenfalls, es ist ein sehr schöner Wasserfall und man spürt dort die Kraft, die das Wasser entwickeln kann förmlich. Allerdings ist er etwas überlaufen und ein beliebtes touristisches Ziel.


J.D.W.E.: Einer meiner Lieblingssongs des neuen Albums ist auf jeden Fall "In der Fuizn". Der Song geht wirklich unter die Haut. Kannst du mir etwas über den Inhalt erzählen?

Winterherz: Die Fuizn ist ein Moorgebiet circa fünf Kilometer von meinem Elternhaus entfernt. In dem Stück geht es um die Geschichtsvergessenheit mancher. Ich fand, dass das Bild der Moorleichen gut dazu passte: Man muss aufpassen, welchen Pfad man folgt, um nicht die Schrecken der Vergangenheit - also unsere eigenen "Moorleichen"- zu wiederholen. Das Lied soll auch eine Erinnerung sein an den Fakt, dass auch unsere heutige reiche und liberale Gesellschaft aus viel Leid geboren wurde. Daran sollten wir immer denken, wenn wir andere Länder und Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, be- oder verurteilen.


J.D.W.E.: Und gibt es einen Song, der dir besonders viel bedeutet und wenn ja, warum?

Winterherz: Alle Songs bedeuten mir gleich viel, jeder hat seine eigene Geschichte und einen Kern der mir sehr wichtig ist.


J.D.W.E.: Wie gehst du generell beim Songwriting vor? Hast du bestimmte Rituale? Und was ist bei euch meistens vorher da: die Melodie oder der Text?

Winterherz: Das ist von Song zu unterschiedlich. Manchmal kommt zuerst eine Riff- manchmal eine Textidee. Rituale gibt es auch keine, irgendwie ist der Prozess auch jedes Mal leicht unterschiedlich. Aber meistens schaffe ich eine Grundsammlung von Riffs und Lyric-Ideen, die ich dann dem Rest vorstelle. Dann kann jeder seinen Input mit weiteren Riffs oder Sonstiges geben, und ab da verfeinern wir den Song Schritt für Schritt bis wir eine sehr detaillierte Demoaufnahme haben. Manchmal fühlt es sich wie Bildhauer-Arbeit an: Stück für Stück arbeiten wir das fertige Werk aus dem Rohling heraus.


J.D.W.E.: Ihr seid mit "Dahoam" nun auch – verdienterweise – in die Deutschen Charts eingestiegen. Was waren deine Gedanken als du das erfahren hast? Davon träumt man doch immer, oder?

Winterherz: Natürlich sind wir sehr stolz auf diesen Fakt. Das kann uns niemand mehr nehmen. Ich habe ehrlich gesagt seit den frühen Teenagertagen nicht mehr von irgendwelchen Charterfolgen geträumt - für mich war lange klar, dass so etwas mit der Art Musik, die ich mache, nicht erreichbar ist. Dass es nun anders gekommen ist, ist natürlich Wahnsinn.


J.D.W.E.: Mir gefällt auch das Cover des neuen Albums sehr gut. Wer ist dafür verantwortlich?

Winterherz: Das Cover und alle Illustrationen stammen von Benjamin König, der meiner Meinung nach großartige Arbeit abgeliefert hat.


J.D.W.E.: Welche drei Bands haben dich am meisten inspiriert in deinem Leben?

Winterherz: Schwierig das auf drei Bands runterzubrechen. Ich habe so viele unterschiedliche Einflüsse, da fällt es nicht leicht sich da festzulegen. Tool sind definitiv dabei, vermutlich Ulver's "Bergtatt". Und wenn man ehrlich ist, ist Panopticon wohl einer der größten meiner Einflüsse der letzten Jahre. Nicht unbedingt immer musikalischer Natur, aber die Freundschaft mit Austin und der Austausch sind sicher nicht spurlos an mir vorbei gegangen.





J.D.W.E.: Wie werden die nächsten Monate bei dir aussehen?

Winterherz: Eigentlich hatte ich ja auf ein paar Auftritte gehofft, die aktuelle Corona-Situation lässt das wieder in weite Ferne rücken. Ich hoffe, dass ich mich bald wieder auf das Schreiben neuer Musik konzentrieren kann.


kurzes "Stichwort-Interview" zum Abschluss


J.D.W.E.: Stadt oder Land?

Winterherz: Hängt von der Situation ab. Ich wohne inzwischen lieber auf dem Land, fühle mich aber auch in der Stadt wohl, wenn wir dort mal Zeit verbringen. Sei es im Urlaub oder auf Konzerten


J.D.W.E.: Berge oder Meer?

Winterherz: Für mich eindeutig Berge, auch wenn das Meer eine besondere Ausstrahlung hat. Aber ich bin nun mal nahe der Berge aufgewachsen, für mich sind sie Heimat.


J.D.W.E.: Bier oder Wein?

Winterherz: Bier. Wüsste nicht was man da erklären soll ;-)


J.D.W.E.: Hund oder Katze?

Winterherz: Keines von beiden. Bin zwar mit Hund aufgewachsen und präferiere Hunde immer noch, aber im Moment möchte ich keine Verantwortung für ein weiteres Lebewesen übernehmen. Mir reichen die, die ich hier schon habe.


J.D.W.E.: Buch oder Game?

Winterherz: Auch das kommt auf die Situation an. Ich lese sehr gerne, habe aber auch gerne Computer gespielt. Zu beidem komme ich seit ein paar Jahren nicht mehr wirklich. Während ich es jedoch immer noch schaffe wenigstens 1-3 Bücher pro Jahr zu lesen, war "Witcher 3" leider das letzte Game, welches ich zocken konnte. Und es sieht nicht danach aus als ob sich daran bald was ändern wird.


J.D.W.E.: An dieser Stelle bedank ich mich vielmals für deine Zeit und deine Antworten. Beste Grüße aus dem aktuell verschneiten Salzburger Lande (Gastein)!

Winterherz: Danke dir für das interessante Gespräch, Manuela!


Interview: Manuela Ausserhofer

Fotos: M. Giebel


HIER kommst Du übrigens direkt zur Review von "Dahoam".

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